Dies ist Teil 5 einer Artikelserie über das Buch "Open - How We'll Work, Live and Learn In The Future" von David Price.


Das Prägendste Lernerlebnis

Welches war Dein prägenstes Lernerlebnis, an das Du Dich aus Deiner Jugendzeit erinnern kannst, fragt David Price. Fast alle werden an dieser Stelle ein Lernerlebnis nennen, das ausserhalb der formellen Institutionen stattgefunden hat.

Most of the powerful learning experiences happened outside school or college (e.g. learning to swim, ride a bike, process life-changing events). They involve some kind of mentoring, backed up by some form of study group. They arise from some form of project — putting on a play, realising an ambition — that blends thinking and doing. They invlove challenge, risk, and learning from failure.

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Wenn man die Merkmale solcher Lernergebnissen anschaut, dann stellt man fest, dass es uns kaum gelingt, diese in die Schule zu bringen.

Selbstorganisierte Bildung bringt Schulen unter Druck

David stellt fest, dass die formelle Schulbildung immer mehr unter Druck gerät. Es gibt zunehmend Möglichkeiten, wie man sich seine Bildung ausserhalb der Schule selber zusammenstellen kann.

Ein ähnliches Schicksal könnte der formellen Bildung blühen, wie es der Musikindustrie widerfahren ist: Durch das Aufkommen von MP3-Dateien konnten sich die Hörer plötzlich beliebige Musiktitel zusammenstellen. Ob legal oder illegal, es war nun nicht mehr nötig eine ganze CD zu kaufen, um an das eine Lied zu kommen, das man möchte.

Bisher hatten die Bildungsinstitutionen noch ein Quasi-Monopol, wenn es darum ging, etwas zu Lernen. Damit könnte es bald vorbei sein, wenn sich die Einstellung verbreitet, dass wir selber bestimmen wollen, von wem und mit wem und zu welcher Zeit wir lernen wollen.

As we find ourselves increasingly able to 'hack' our own education, I would expect, for instance, the homeschool market to expand rapidly. Once the possibility exists for students to study informally, at online (and offline) schools, compiling their own learning playlist, putting together units of study that appeal to their passions, the one-size-fits-all model of high school will appear alarmingly anachronistic.

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Bildungsverantwortliche haben keine Antworten

Price zeigt auf, dass in der Bildungspolitik ein rechtes Durcheinander herrscht, wenn es darum geht, eine zukuntsweisende Richtung anzugeben. Mit Bezug auf die PISA-Studien stellt er fest:

We in the West want to be more like those in the East, who, in turn, want to be more like we in the West. We call for learning fit to meet the challenges of the 21st century, while recommending teaching methods belonging to the 19th century. We have no clearly agreed purpose for education, but agree that spurious international comparisons should inform future ecducational policy. In short, we're really, really confused.

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Lehrer im 21. Jahrhundert

Es gibt ein paar wenige Lehrpersonen, die als Pioniere Werte vorleben, wie sie das 21. Jahrhunder erfordern. Heng Swee Keat identifiziert fünf Eigenschaften solcher Lehrer (S. 167):

  1. Ethische Vorbilder: Sie demonstrieren Integrität und Zivilcourage.
  2. Professionelle Kompetenz: Sie erweitern ständig ihr Wissen, ihr Können und ihre Leiterschaftsfähigkeit.
  3. Kollaborative Lerner: Sie nehmen aktiv Teil an professionellen Gesprächen und verbessern die Kameradschaft und Unterstütung unter Lehrern.
  4. Transformative Leiter: Sie inspirieren Ihre Kollegen zu Innovation, bauen Vertrauen auf und führen Veränderungen durch.
  5. Bauen Community: Sie verstehen lokale und globale Probleme und entwickeln unter den Schülern einen Sinn für soziale Verantwortung.

Es sei nicht so, dass die Lehrer nicht diese Werte leben wollten, sondern das Problem sei, dass das System diesen Werten weder Beachtung noch Wertschätzung gibt.

Beispiele von Schulen

David führt drei Schulen als Beispiele auf, wie man Bildung auch anders gestalten kann.

School of Communication Arts 2.0, London

Keine Diplome

Diese Schule in London ist insofern speziell, als dass sie komplett auf Qualifikationen und Diplome verzichtet. Die Schule ist stark mit der Industrie verknüpft und geniesst einen so guten Ruf, dass der Besuch dieser Schule schon fast eine Garantie für einen guten Job ist.

The near-guarantee of a job at the end of their study, or seed funding for a new business seems to more than compensate students for not having a degree to show for their work.

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Dieses Modell könnte in Zukunft mehr Verbreitung finden, denn der Wert eines Diploms nimmt generell ab. Denn ein Diplom ist immer weniger ein Garant für einen sicheren Job.

Curriculum Wiki

Es gibt noch ein zweites Merkmal dieser Schule, das revolutionär ist: Sie halten Ihr Schulmaterial aktuell und relevant durch ein sogenanntes open source curriculum wiki. Marc Lewis, der Leiter der Schule, nimmt Stellung zum Problem, das sie mit dem curriculum wiki lösen:

The university system is built on an industrial age economy, where knowledge evolves very slowly. In an information age economy, knowledge moves very quickly [...]. If you're joining a course today, you're taking a programme that was probably written five to ten years ago, so a lot of that knowledge is out of date, irrelevant.

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Durch das curriculum wiki kann jeder, ob Berater, Industriepartner, Mentor oder Student, mithelfen das Unterrichtsmaterial zu gestalten und aktuell zu halten. Einmal pro Jahr stoppen sie das curriculum wiki und der Verantwortliche bringt das Material in eine für den Unterricht brauchbare Form. Der ganze Prozess geschieht öffentlich, das heisst dass Aussenstehende jederzeit Zugriff darauf haben.

Sydney Center for Innovation in Learning (SCIL)

Lehrpersonen als Team

Der Leiter dieser Schule hat die Zusammenarbeit unter Lehrern revolutioniert. Er hat die zuvor abgeschotteten Klassenzimmer aufgebrochen, so dass heute der Unterricht häufigt mit 180 Schülern gleichzeitig durchgeführt wird. Dies zwingt die Lehrpersonen im Team zu arbeiten.

Teamarbeit sind sich Lehrpersonen nicht gewohnt. Diese Mentalität von Einzelkämpfern zu durchbrechen war tatsächlich ein schwieriges Unterfangen. Schulkulturen sind sehr resistent für Veränderungen.

Culture eats strategy for breakfast.

Peter Drucker

Die Lehrpersonen wurden gezwungen, sich als Team zu organisieren. Dies führte dazu, dass sie angefangen haben, sich selber nicht nur als Lehrpersonen wahrzunehmen, sondern auch als professionelle Wissenschaftler. Sie haben angefangen, gemeinsam nach innovativen Möglichkeiten für den Unterricht zu suchen.

Teachers have become designers of learning, and of the spaces in which learning happens. Innovation now drives the learning.

Schüler steuern ihr Lernen

Stephen Harris, der Leiter von SCIL, hat eine Kultur der Innovation geschaffen. Darüber hinaus versucht er für verschiedene Prinzipien zu motivieren, vertraut aber seinen Lehrern, dass sie einen Weg finden, diese professionell umzusetzen. Ein Prinzip ist das des "multimodalen" Lernens:

Students need to be able to switch seamlessly between online learning and face-to-face, and teachers need to deploy multiple forms of input. I'd want to influence teachers to realise that the more students own their learning, the quicker the journey will be. But I'm not about to tell teachers how to do that.

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High Tech High Schools, San Diego County, USA

Projektbasiertes Lernen

An dieser Schule wird konsequent mit projektbasiertem Lernen gearbeitet. Anstatt Klassenzimmer haben sie Ateliers. Bei ihrem projektbasierten Lernen geht es aber nicht einfach darum, anhand von "Themen" zu lernen, sondern wie folgt:

[Project-based learning] is what most of us do for a living: we have a need, a client, some complex questions to answer, and we come up with a collaborative solution — all within a timeframe.

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Die Schülerprojekte sind meistens echte Projekte, die verschidene Probleme aus der lokalen Gemeinschaft lösen. Das wohl Wichtigste, was sie dort lernen, ist:

to know what to do, when you don't know what to do

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Nur eine Regel

An dieser Schule haben sie eine ganz frische Herangehensweise an das Thema Struktur und Regeln:

What tends to happen in schools is that rules get added, but they don't get taken away. So, there's less and less oxygen. And a lot of the rules are really not necessary. The more rules you have, the more rules you can get around. We only really have one rule here: do unto others as you'd have them do to you.

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Schlussgedanke zu Allmende des Lernens

Im Teil 3 haben wir kurz die Geschichte von den Allmenden in England angeschaut. Diese Geschichte nahm ein schlechtes Ende für die gemeinschaftliche Nutzung. Nun stellt sich natürlich die Frage, ob dies auch für den Bereich des Lernens, der Allmende des Lernens passieren könnte. David Price verneint dies, indem er auf einen fundamentalen Unterschied hinweist (S. 213):

Um das Gras auf den Allmenden in England musste gekämpft werden. Wenn nämlich meine Schafe das Gras fressen, dann ist das Gras für andere Schafe nicht mehr vorhanden. Dies ist jedoch nicht der Fall beim Lernen:

If I share an idea with you, you gain, but not at my expense. I still have that knowledge. Knowledge can be likened to the light from a candle: I can light many other candles without losing the original source of light.

S. 213

Schön, dass Du bis hierhin gelesen hast. Ich würde mich freuen über Kommentare mit Deiner Meinung: